1/20/2012

Das Weihnachtsgeschenk

Das Weihnachtsgeschenk

* Eine Geschichte von Louis Cyphre *


Er ertappte sich immer häufiger dabei, dass er sie auf diese bestimmte Weise ansah. Ihr Gesicht war ebenmäßig, fein geschnitten; der Ausdruck ihrer braunen Augen voller Wärme, die vollen Lippen sanft geschwungen, im Licht der Schaufenster feucht glänzend - ein einziges sinnliches Versprechen für später. Ihr langes dunkles Haar fiel glatt über ihre Schultern; ein geschmeidiger, duftender Vorhang, mit dem sie schon oft seine nackte Haut bedeckt und auf unwiderstehliche Weise gestreichelt hatte.
Er wandte den Blick ab, als er auf einmal das Gefühl hatte, dass sie seine Gedanken so deutlich und klar sehen konnte wie er das provozierende Lächeln in ihrem Gesicht.
"Du hast doch was!" sagte sie lachend, und er spürte, wie ihm trotz der vorweihnachtlichen Kälte in den Straßen heiß wurde. Er schüttelte den Kopf und wollte ablenken, suchte übertrieben eifrig nach den Wagenschlüsseln, als sie ihn mit dem feinen Wildleder ihrer Handschuhe sanft an der Wange berührte und nicht zuließ, dass sein Blick abirren konnte.
"Sag es mir!" Er suchte nach Worten, doch er brachte angesichts ihrer makellosen Schönheit keinen Laut über die Lippen.
"Sag, was es ist! Sag mir, was du dir wünschst. Ich will es wissen."

Zwei Wochen waren sie nun zusammen. Eine kurze Zeit, in der so vieles geschehen war, in der sie ihn immer wieder überraschte und in der sie ihm so vieles gezeigt hatte. Und obwohl sie ihn in beinahe jeder Hinsicht glücklich zu machen verstand, fehlte doch etwas, ein winziges Mosaiksteinchen, das im Verlauf der vergangenen Tage immense Bedeutung für ihn anzunehmen schien.
"Ich möchte dich darum bitten, dass du ein einziges Mal vor mir kniest."
Er konnte seine eigene Stimme kaum zuordnen, so leise hatte er gesprochen, aber sie hatte jedes Wort verstanden. Sie schaute ihn mit diesem unergründlichen Lächeln, das ihn jedes Mal so sehr verunsicherte, aufmerksam an. Mit ihrer Hand strich sie ihm sanft durchs Haar, und vorbei eilende Passanten beobachteten sie verstohlen.
"Ist das alles, was du dir wünschst? Du weißt, dass sich dann vieles zwischen uns ändern wird."
Er nickte, und es gelang ihm nur mit viel Mühe, das aufsteigende diabolische Grinsen in ein dankbares Lächeln zu verwandeln.

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